Zum Seiteninhalt springen
Suchformular 


Grabatz im Jahr 2000



Grabatz im Jahr 2000


Es dürfte sowohl für die noch lebenden Grabatzer wie auch später mal für deren Nachkommen von Interesse sein, sich, bezüglich der Geburtsgemeinde oder des im Zeitenlauf über Jahrhunderte zur Ahnenheimat gewordenen Bezugsortes, zurückblickend das Jahr der Zeitenwende zu vergegenwärtigen.

Eine noch in Grabatz lebende Frau hat auf die Frage, wie es denn zurzeit um den Ort Grabatz stünde, folgende Antwort gegeben: "Ja, Grabatz ist jetzt ein armes Dorf." Dabei spielte sie wohl auf die jetzigen Gegebenheiten an, die ausgelöst durch die widerwärtigen und leidvollen Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges und deren Folgeerscheinungen, wie Zwangsarbeit in der Sowjetunion, Unterwanderung, Enteignung, Entrechtung, Baraganverschleppung und Aussiedlung, zu unerfreulicher Besorgnis Anlass geben.

Wie in allen anderen vormals deutschen Ortschaften des Banats, haben die meisten Deutschen die angestammte Heimat verlassen. Die Zahl der Verbliebenen ist auf 34 gesunken. Von diesen leben 13 Personen als Alleinstehende - 8 Frauen und 5 Männer -, 11 Personen in Mischehen und volkstumsfremdem Zusammenleben und als Ausnahme, eine kinderreiche Familie, die aus 10 Personen besteht. Für die Kinder dieser Familie ist die Beherrschung der Muttersprache fast überflüssig geworden, da sie sich in einem Umfeld bewegen, in welchem die deutsche Sprache weitestgehend unbekannt ist. Hinter diesen Zahlen über den Personenstand der Verbliebenen, verbirgt sich eine Reihe schicksalhafter Einwirkungen, die die Geschicke der Betroffenen maßgeblich beeinflusst haben. Heute bewegt uns ein rücksichtsvolles Mitempfinden für die letzten Deutschen in Grabatz, die, wie auf verlorenem Posten, die Kraft aufbringen, die Vierteljahrtausend alte Mission des guten Willens mit Ergebenheit zu Ende zu führen.

Das alte Gemäuer der Kirche, das mehr als 2 Jahrhunderte überdauert hat, steht noch zweckgebunden in der Mitte des Ortes. Ein katholischer Rumäne, der im Pfarrhaus eine Bleibe gefunden hat, besorgt täglich das dreimalige Läuten. Eine Messe findet nur noch einmal im Monat statt. Dagegen herrscht in der orthodoxen Kirche - die ja in dem Gebäude des ehemaligen deutschen Kindergartens errichtet wurde - rege Tätigkeit.

Neben dem katholischen Pfarrhaus befindet sich das ehemalige Gemeindehaus, das seit der Zusammenlegung des Ortes mit Bogarosch und Lenauheim seine Bestimmung verloren hat. Der repräsentative Säulenvorbau wurde während der kommunistischen Herrschaft auf Befehl des Parteisekretärs aus Großsanktnikolaus abgetragen, erinnerte er doch zu sehr an die Zeiten bürgerlichen Wohlstandes. Heute sind im rechten Teil des geräumigen Gebäudes, wo sich vormals die Notarwohnung befunden hatte, das Postamt mit der Telefonzentrale und die Apotheke untergebracht. Im linken Teil des Gebäudes bläst der Wind durch die leeren Räume, da alle Fenster und Türen entwendet wurden. Kürzlich ging auch der eine Flügel der schweren Eingangstür denselben Weg.

Das staatliche Landwirtschaftsunternehmen hat die wirtschaftlichen Umwälzungen überdauert und besteht weiterhin an seinem alten Standort. Doch der große Rindermastkomplex und die Schweinemastställe, die seinerzeit an die "Comtim" - dem späteren Fleischkombinat Banat - übergeben wurden, stehen leer. Von den 32 Sozialwohnungen, die zwischen der Mühle und dem Spitzwirtshaus für die Betreuer der Mastkomplexe errichtet wurden, ist nichts mehr übrig geblieben. Diebe haben alles Verwendbare als Baumaterial weggeschafft. So zeugen nur noch einige Schutthaufen davon, dass hier einmal 2 Wohnblocks gestanden haben.

Mittlerweile haben es die Diebe wieder auf Umfriedungsmauern des Friedhofes abgesehen, wo die glatten, doppelgebrannten Mauersteine einen einträglichen Profit abwerfen. Der Umstand, dass in Grabatz keine Polizeistelle mehr besteht, erleichtert es den Räubern, ihr schmutziges Handwerk auszuführen.. So wurden einem Deutschen ein Pferd und einem einheimischen Rumänen 3 Kühe gestohlen. Eine Kuh kam mit verbundenen Augen zurück zum Eigentümer. Gewissermaßen als Krönung dieser Diebereien, wurde kurz vor Jahresende die Glocke auf dem Kalvarienberg entwendet. Von den Räubern keine Spur!

Nach soviel Unbehagen und Misslichkeiten, sehnt man sich geradezu nach erfreulicheren Sachverhalten. So kann man davon berichten, dass die "Große Mühle" - wenn auch mit geringerer Kapazität - wieder in Betrieb ist. Ausländische Gesellschafter betreiben die vormals zweitgrößte Mühle des Banats mit zum Teil neuen Maschinen.

Auf der Straße vor dem ehemaligen "Gemischtwarenhaus Jakoby" steht eine automatische Telefonzelle, in welcher man mit Telefonkarten außerörtliche Verbindungen wahrnehmen kann. Die telefonischen Hausanschlüsse funktionieren jedoch nur 8 Stunden am Tag und sind samstags und sonntags lahm gelegt.

Das Kino, das schon längst seine Seele ausgehaucht hat, soll in einen Konfektionsbetrieb umgestaltet werden. Auch hier sollen ausländische Unternehmer das Sagen haben. Die vielen Verkaufsläden, die nach dem Umschwung wie Pilze aus dem Boden schossen, sind im Rückgang begriffen. Auch in der groß aufgezogenen Bäckerei bäckt man jetzt kleinere Brötchen.

Die Schulleitung kann sich nach der Auflösung der deutschen Sektion über Platzmangel wahrlich nicht beklagen. Viele Häuser stehen zum Verkauf an, doch finanzkräftige Käufer fehlen. Ein bedeutsames Ereignis war die Rückgabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen an die ehemaligen Besitzer oder deren Nachkommen. Auch Grabatzer Deutsche haben die Möglichkeit wahrgenommen, durch die Übernahme der ihnen zustehenden Nutzflächen, ihre schwere Lebenslage sorgenfreier zu gestalten. Die sogenannten "Assoziierungen" - Zusammenschluss mehrerer Partner per Vertrag - oder ein auf Gesellschaftsbasis beruhendes Unternehmen übernehmen gegen einen Pachtzins, der je nach Übereinkunft 400 kg Weizen und ebensoviel Mais pro Hektar beträgt, die Bearbeitung der Felder. Das sind ungefähr dieselben Quantitäten an Pachtzins, wie sie auch während der Vorkriegszeit im privatwirtschaftlichen Bereich üblich waren. Nur muss man dabei wissen, dass die Hektarerträge durch die Einführung des grannenlosen - aber kleberarmen - Weizens und des amerikanischen Hybridmaises um das fast Doppelte gestiegen sind, so dass die Unternehmer jedenfalls auf ihre Rechnung kommen. Zur Freude der Eigentümer und zur Verwunderung mancher Beobachter, hat der Staat es bisher vermieden, eine Steuerlast auf die Nutzflächen auszulegen, aber anscheinend genügt es diesem, sich auf den Wogen der Inflation die notwendigen Tantiemen zu sichern.

Das Jahr 2000 war in Grabatz gekennzeichnet, durch eine seit Jahren nicht mehr aufgetretene Trockenheit, zu der sich im Sommer eine anhaltende Hitzewelle gesellte. Dies war eine der Ursachen, welche die Erträge schrumpfen ließen, was sich negativ auf den Lebensstandard auswirkte. Angesichts dieses bedrückenden Zeitbildes, wünschen wir der Gemeinde Grabatz und ihren heutigen Bewohnern einen steten Wiederaufstieg, der früheren Erfolgserlebnissen gerecht werden kann.

Jakob Dietrich, Okt. 2006 - © HOG-Grabatz

Erstellt: 14.04.2014
Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung dieser Website akzeptieren Sie die Benutzung von Cookies. Mehr dazu unter Datenschutz